Sören Hornung hat sein Stück "Arche NOA – Das Ende vom Schluss" eine "Farce" genannt. Im Visier der satirischen Zuspitzung steht nichts weniger als der Kapitalismus in seiner ganzen Monstrosität, der, befeuert von Wachstumsgesetzen und Profitmaximierung, unaufhaltsam die Erde plattwalzt. Ein witziges, bitterböses, aktuelles Stück, dessen Metaphorik auch auf unsere Pandemie-Gegenwart, auf Flüchtlingsdramen und den Klimawandel verweisen kann. 2020 erhielt es den Chemnitzer Theaterpreis. Die Uraufführung, die das Theater Chemnitz jetzt coronabedingt verspätet geliefert und online gestreamt hat (als Aufzeichnung der Generalprobe vom November 2020), hat Matthias Huber inszeniert. Ein starker, unterhaltsamer, brillant und pointiert gespielter Theaterabend ist daraus geworden.
Verena Großkreutz, Nachtkritik.de, 05/2021
Mit diesem Stück greift Sören Hornung aus Sicht des Kritikers "in die Kiste mit den ganz großen Themen. Er stellt unser Leben, das ganz individuelle, aber auch das gesellschaftliche, den Kapitalismus mit seinem Wachstumsprinzip auf den Prüfstand. Selbst Gott bleibt da nicht außen vor, er steht mit auf dem Besetzungszettel. Sören Hornung ist nicht nur ein kluger, sondern auch ein gewiefter Dramatiker." Schillings Fazit: "Super Stück, schlecht inszeniert."
Wolfgang Schilling, MDR Kultur, 05/2021
Sören Hornung hat die Geschichte der deutschen Einheit einmal auf links gedreht und mit den wahnwitzigen Erfahrungen unserer aktuellen Zeit in Beziehung gesetzt. In "Es ist noch nicht soweit" erzählt der Dramatiker eine abstruse Story, die einen dialektischen Blick auf das wirft, was Wahrheit sein könnte. Denn in diesen Zeiten möchte kaum jemand das letzte Wort für sich beanspruchen, aber bei diesem Theaterabend macht das Abklopfen der Wahrheit Spaß und man kommt sich wieder ein Stückchen näher.
Wolfgang Schilling, MDR Kultur, 08/2020
So
schreitet Hornung die Themenfelder Kapitalismus, Populismus und Klimakrise ab, ohne dass dieser Spaziergang durch die Krisenherde der Gesellschaft didaktisch geriete. Zu gebannt ist man von grotesken
Binnenlogiken, geschlossenen Argumentationsstrukturen und sorglos zur Schau gestellter Gier. Obwohl der Autor mit reichlich Übertreibung und intertextuellen Verweisen arbeitet, wirken seine Figuren
erstaunlich plastisch und nachvollziehbar. Bei aller Zuspitzung lässt er ihnen ihre Widersprüche. So erweisen sich ihre Lebenslügen als die unsrigen, die wir doch allzu oft selbst den neoliberalen
(Selbst-)Optimierungsprinzipien folgen und für jeden Kurzstreckenflug, jede Gedankenlosigkeit, jedes Ausblenden eine Entschuldigung parat haben. Das Stück ist so komplex wie der alles vernichtende
Nebel selbst.
Georg Kasch, Nachtkritik.de, 04/2020
Sören Hornung zieht uns mit seinem Text sehr geschickt und spannungsintensiv hinein in diese alte Geschichte. Die zunächst plakativ angelegt scheinenden vier Charaktere gewinnen dabei immer mehr
an Profil. Da entsteht aus der kleinsten Zelle der Gesellschaft heraus sozusagen ein gesellschaftliches Panorama über viele Jahre: Grenzregime, Todesschüsse, Mauerfall und der Reset in der
neuen, aber auch nicht perfekten Welt. Geschickt geht die Erzählung über die immer wieder neuen Geburtstage der Mutti voran in Richtung Abgrund, der aber eigentlich in der Vergangenheit liegt.
Hier kommt dann der Punkt, wo ich zum Plot nichts mehr sagen möchte. Diese Spannung, die dem Stück innewohnt, die will ich hier niemanden kaputtmachen. (...)
Dass das dunkle Geheimnis der Familie gelüftet wird, ist klar. Und des Rätsels Lösung ist am Ende auch keine wirklich überraschende.
Aber auf dem Lösungsweg dahin, sage ich mal, hat Sören Hornung eine bei aller Drastik sehr verständnisvolle, empathische Geschichte geschrieben, die viel über das erzählt, was uns Deutsche, die
wir heute so zwischen Anfang 30 bis Mitte 70 sind, auch 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution wohl noch lange beschäftigen wird. Und das Ganze dann in Szene gesetzt von einer Generation junger
Theatermacher auf der Waldbühnen Benneckenstein, das ist, da wiederhole ich mich gerne: Theater von Relevanz.
Wolfgang Schilling, MDR Kultur, 10.08.2019
Was für eine Familie. Der Ur-Opa war ein mittlerer Massenmörder der SS und wurde beim Einmarsch der Roten Armee vor den Augen seiner Tochter auf Nimmerwiedersehen verschleppt, das Kind anschließend von einem Russen vergewaltigt. Lieblingssspruch der Mutter: «So etwas passiert in unserer Familie nicht.» Die Traumata aus dem Krieg lassen auch danach keine rechte Lebensfreude aufkommen. Enkel Frank wächst lieblos auf, seine einzige Freundin wird beim Indianerspiel an der Grenze erschossen. Urenkelin Franziska ist arbeitslos, tablettensüchtig und ritzt sich Hakenkreuze. (..)
Sören Hornung hat in schnellen Schnitten und unter Zuhilfenahme einer Erzählerfigur eine ostdeutsche Familiengeschichte von 1945 bis heute skizziert, voller Rückblenden, Geständnisse und Andeutungen. Abgerissene Sätze stehen im Wind der Zeitläufte, das Märchen vom bösen Wolf und den sieben Geißlein hält metaphorisch alles zusammen. Dabei bleibt "SIEBEN GEISTER" immer ungefähr genug, um allgemein übertragbar zu sein auf ein ganzes Land, dessen Bewohner nicht voneinander loskommen. Die Verhaltensmuster folgen einmütig einem Symptomkatalog aus dem Lehrbuch der Traumatologie: freudlos autoritäre Charaktere in einer Atmosphäre aus Angst, Schweigen und Druck. Lebenslanges Leiden, das sich von Generation zu Generation fortsetzt. (...) Am Ende steht die die kaffeesüße Versöhnung der Generationen im Zeichen einer Schuld, für die sie nichts können.
Theater Heute, Franz Wille, 7/2018
Auch dieses Jahr werden wieder sechs Dramatiker*innen beim 35. Heidelberger Stückemarkt 2018 um den mit 10.000 Euro dotierten Autorenpreis konkurrieren. Die Nominierten gab das Theater Heidelberg heute auf einer Pressekonferenz bekannt, es sind: Esther Becker mit ihrem Stück "Wildbestand", Carsten Brandau mit "Ortsgruppenleiter von Istanbul", Leon Engler mit "Die Benennung der Tiere", Sören Hornung mit "Sieben Geister", Rinus Silzles "Legal Highs" und Ulrike Syhas "Drift".
Nachtkritik.de 09. März 2018
Für sein Stück "Sieben Geister" erhält der Autor Sören Hornung den Chemnitzer Theaterpreis für junge Dramatik 2018. Das meldete das Schauspiel Chemnitz in einer Presseaussendung. Verbunden ist der mit 5000 Euro dotierte Nachwuchs- und Förderpreis mit einer Uraufführung am Theater Chemnitz. "Sieben Geister" spannt anhand dreier Generationen einen Bogen von 1945 bis heute. Bei der Beerdigung der Großmutter brechen Familienkonflikte auf, in denen sich deutsche Geschichte spiegelt. In der Regie von Laura Linnenbaum wird "Sieben Geister" am 11. Mai 2018 Premiere haben. Am gleichen Tag findet die Preisverleihung an Sören Hornung statt. Hornungs Text sei von der Jury einstimmig aus 34 Einsendungen ausgewählt worden, so das Chemnitzer Theater. Mitglieder der fünfköpfigen Jury waren Andrea Czesienski vom Henschel Verlag, die Regisseurin Laura Linnenbaum, Johannes Schulze, Vorsitzender des Förderverein der Theater Chemnitz, sowie René Schmidt und Kathrin Brune, Dramaturg*innen am Schauspiel Chemnitz.
Nachtkritik.de 13. Februar 2018
Nun haben ihre Textentwürfe auch für die Jury ein Gesicht bekommen: Bei einer Pressekonferenz im Osnabrücker Theater wurden die sechs Kandidaten für den nunmehr dritten Durchlauf des Osnabrücker Dramatikerwettbewerbs (6000 Euro) vorgestellt. Es sind Sören Hornung und Caren Jeß, beide aus Berlin, Anna Riess aus Purkersdorf/Österreich, Anne Rücker, Göttingen, Peter Thiers, Hamburg, und Mario Wurmitzer, Wien. In der Jury sitzen die bekannte Theaterautorin Rebekka Kricheldorf, Osnabrücks Leitender Schauspielregisseur Dominique Schnizer, der Annette Pullen abgelöst hat, SZ-Kritiker Jürgen Berger und Sabina Dhein, Direktorin der Hamburger Theaterakademie, die alle über reiche Erfahrung in gewichtigen Jurys verfügen. Dhein ersetzt in der Osnabrücker Jury Hans-Jürgen Drescher, den Präsidenten der bayerischen Theaterakademie. 126 Bewerber hat es für die dritte Runde gegeben, deren anonymisierte Stückentwürfe die Jury in echter „Kärrnerarbeit“, so Jürgen Berger schmunzelnd, gründlich gelesen hat, um die sechs Finalisten herauszufinden. Für die erste Runde des Preises gab es 180, für die zweite 100 Bewerber. Theatervereinsvorsitzender Axel Zumstrull ist sicher, dass es nach der dritten und vorläufig letzten Runde dieses vom Osnabrücker Theaterverein initiierten und finanzierten Wettbewerbs eine Fortsetzung geben wird, an der der Verein schon nach Kräften arbeite.
Neue Osnabrücker Zeitung, Christine Adam, 27.06.2017
»Eindrucksvoll der chorische Zugriff auf das Dionysische in den „Bakchen“, selbst wenn man das wiederholte Demonstrieren: „Wir machen hier bloß Theater“, als störend empfindet, so bleibt die Faszination eines Zusammenspiels in tragisch-grotesker Zuspitzung. Großartig, wie das an der Inszenierung beteiligte Studenten-Ensemble hier zu einem Ton findet, zu einem orgiastischen Sprechleib verschmilzt, um dann immer wieder ernüchtert auseinanderzufallen. Hier wachsen die Einzelnen über sich hinaus, eben weil sie sich nicht vereinzeln lassen. Die überzeugende Interpretation des Zusammenhangs (Klangs!) von Kunst und Rausch, Vernunft und Kritik.«
Theater der Zeit, Gunnar Decker, 4/2017
»Viel radikaler der Zugriff auf ,,Die Bakchen“, die die Regisseur*innen Sören Hornung und Paula Thielecke als dezidierte Ensemble-Arbeit aufführen. So hören wir im wilden Aufruhr auf der Bühne das laute und wiederholte Nein zu einer Kultur, die im Wesen eine Kultur der Entmündigung und Unterdrückung sei, und es klingt wie ein Reflex auf Peter Weiss‘ ,,Ästhetik des Widerstands“. Ganz in der Steinbruchmentalität der Materialästhetik hat das Ensemble das alte Stück auseinandergenommen, ein neues zusammengefügt und mit furioser Spiellust aufgeführt. Im günstigen Falle, so wie hier, ist bei solchem Vorgehen die Vorlage im Kern noch erkennbar, aber nun mit neuen Horizonten verbunden. So schwirren neben Euripides auch Texte von Rosa Luxemburg, Virginia Woolf oder Slavoj Žižek durch den Raum und durchs Programmheft. Von Revolution ist die Rede, und die Frauen stehen, noch viel grundsätzlicher als bei Euripides, im Zentrum der Unterdrückung und der Kämpfe. ,,Unartige Kinder“ nennt das Volkstheater diese Themenreihe. Im Falle der ,,Bakchen“ sind die ,,unartigen Kinder“ das Ensemble selbst, das die Tragödie als ,, deutungsoffen“ nimmt, zum Satyrspiel aufbohrt und daraus ein rasantes Verwirrspiel über moderne Identität und ihre Manipulation macht: starke Spielerei – starker Tobak.«
Ostseezeitung, 27.02.2017
»In Sören Hornungs eindringlicher Inszenierung werden die vier Darsteller zu verschiedenen Gesichtern des Hörigkeitsdilemmas. Denn auch Heinrich Manns Diederich ist ja im Grunde nicht mehr als ein Typus: der Konformist, der Mitläufer. Auf der Bühne wird dieser zum Ausgangspunkt für eine Suche nach Identität und Zugehörigkeit und schließlich für das Aufbegehren gegen die Hörigkeit selbst. Was dabei herauskommt ist starkes performatives Theater. (…) Da stehen vier Menschen Mitte zwanzig vor einem immer fremderen Staat und verstehen seine Regeln nicht mehr. Und gerade dieser Blickwinkel, untermauert durch die biographischen Erfahrungen, die neben Manns Text im Stück reflektiert werden, machen „HUNDERT JAHRE HÖRIGKEIT“ zu einer starken Stimme in einer Zeit, in der das Schreckgespenst Nationalismus wieder spukt.«
Stuttgarter Zeitung, Sabine Fischer, 2016
»In der einfallsreichen, klugen Regie von Sören Hornung werden schonungslose Parallelen zu unserer Gegenwart gezogen. (...) Dem Nährboden der Hörigkeit des heutigen Menschen soll hier bedingungslos nachgespürt werden. Und die zentrale Frage lautet: Sind wir heute wirklich weniger hörig als vor hundert Jahren, nur weil kein Kaiser mehr unsere Untertänigkeit einfordert?
Diese Stückentwicklung enthält neben Heinrich Manns Text auch biografisches Material des Ensembles. Die Lust an der Unterwerfung wird gnadenlos bloßgestellt. (...) Diese originelle Produktion spielt virtuos mit verschiedenen Blickwinkeln und unterschiedlichsten Sichtweisen, die sich tief einprägen. Gerade deswegen gab es für alle Beteiligten begeisterten Schlussbeifall, denn es wurde mit Leidenschaft und viel Herzblut gespielt. Mit dem fast ersterbenden Satz „Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte…“ verlassen die Schauspiel zuletzt die Bühne und stellen die Zuschauer vor vollendete Tatsachen, aber auch große Rätsel. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ – dieses Motto machte ja nicht nur den Kaiser, sondern auch Adolf Hitler möglich. Dass mit den Ängsten der Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts brutale Geschäfte gemacht wurden, lernt man hier kennen.«
derneuemerker, 2016
» (...) Dieses Stück gibt einen Blick in die Zukunft, er zeigt: Die Lage ist ernst. Eigentlich ist sie hoffnungslos. Wald um Wald wurde über die Jahrzehnte hinweg abgeholzt, die Menschheit schaute gleichgültig zu. Nun sitzen ein paar unentwegte Widerständler auf dem letzten Baum im Sherwood Forest und protestieren. Aber das ist eigentlich mehr ein Warten auf Errettung. Denn „die drei lustigen Vier“ (Konstantin Morfopoulus, Carolin Wiedenbröcker und Anne Greta Weber) sind nicht immer nur lustig, sondern auch mal nachdenklich. Zwischendurch wird es auch selbstreferenziell: Die Darsteller sind schließlich Ende doch nur „subventionierte Künstlerinnen, die immer noch an die Kraft des Theaters glauben“, wie sie meinen. Doch die zuweilen schrille und auch klamaukige Selbstbefragung über die Rettung der Menschheit offenbart sich mehr als eine Geschichte des Scheiterns von Utopien. „Wir sind alle kapitalismusgeprägt“, so wird die melancholische Grundstimmung in Worte gefasst. Das mündet in Systemkritik, denn Vater Staat wird hier eher als Polizist wahrgenommen. Gepredigt wird von den „drei lustigen Vier“ eher der Widerstand im Kleinen, der ganz persönlich gelebte Anarchismus. Aber es gibt im Grunde im Kapitalismus nur zwei Alternativen: „Entweder kaufst du was oder du lässt es sein.“
Das Ziel der Idealisten: Der Kapitalismus wird abgelöst durch eine „bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft“, so die Utopie. Karl Marx lässt schön grüßen. Das Stück von Kollektiv eins (Text: Sören Hornung, Inszenierung: Paula Thielecke, Dramaturgie: Anna Langhoff) offeriert dem Zuschauer eine Nachdenklichkeit auf manchmal überdrehte Weise, zeigt aber auch eine große Hilflosigkeit. Und die Parallele zu den Baumhäusern im Hambacher Forst, der inzwischen einem Symbol des Widerstandes gegen Umweltzerstörung geworden ist, drängt sich hier geradezu auf.
Ach ja, Helene Fischer: Am Ende des Stücks ist sie gleich dreifach auf der Bühne zu sehen (nein, nicht nackt) und führt ein Zwiegespräch mit Gott. Auf Augenhöhe sozusagen.«
Thorsten Czarkowski, Ostseezeitung, Januar 2019
»Der Untertitel der Performance bringt den Inhalt auf den Punkt: "Das Chaos sei willkommen, denn die Ordnung hat versagt" soll einst Karl Kraus ("Die letzten Tage der Menschheit") gesagt haben, und was der Österreicher damit meinte, können wir immerhin ahnen, denn er starb 1936. Der Abend kommt in hohem Tempo, schrillen Glitter-Outfits, lauten Songs und gut gesetzten Videoeinspielern. Das Tohuwabohu wird in diesem Ballettsaal durch die Spiegelungen in den großen, getönten Fenstern noch verstärkt und mischt sich mit dem Ausblick auf den Theatervorplatz. Das alles sorgt für Unterhaltung und durchgehende Aufmerksamkeit in den anderthalb Stunden ohne Pause. (...) Dieses Kuddelmuddel ist durchdacht und schafft Aufmerksamkeit für die Momente, in denen die Verzweiflung aufscheint. Sie ist dann kaum von der Hoffnung zu unterscheiden, dass es doch noch eine andere Wirklichkeit gibt als die mediale Internet-Wirklichkeit, der wir heute ausgeliefert sind. In der es gar keinen Sinn macht, News von Fakes zu unterscheiden. In der wir unseren Erklärbären Harald Lesch, Richard David Precht und Volker Pispers dankbar sind für ein paar zusammenhängende Sätze. Die natürlich nichts ändern. Das Volkstheater Rostock hat den Ballettsaal zum Raum für Experimente gemacht und sich mit dem Kollektiv Eins aus Berlin neues, frisches Performance-Theater kommen lassen. Mit "Laika" schließt es die Reihe "Knall + All" ab, mit dem Schauspieldirektor Ralf Reichel in seiner ersten komplett geplanten Spielzeit den Bereich des junge Experimentaltheaters abdeckt. Ein guter Kauf. Die Irritation dieses Abends passt nach Rostock. Sie ist unterhaltsam und nachvollziehbar. "Laika" ist im besten Sinne originell und bietet als eigenständige Stückentwicklung in einem besonderen Raum einen Blick auf die Welt, aus der die Alten mit einem gemächlichen Kopfschütteln herauswachsen. Aber die Jungen, die wachsen da erst rein.«
Nachtkritik, Frank Schlößer, Dezember 2017
»Das Los von Laika ist nur der wissenschaftsgeschichtliche Hintergrund für dieses Theaterstück. Hier wird ein Hundeschicksal umgedeutet und erhöht: Mit Laika begann nicht nur die „behündete Raumfahrt“, sie war auch „ein Opfer auf dem Schlachtfeld des sogenannten Fortschritts“. Was jetzt ein bisschen überengagiert klingt, ist auf der Bühne sehr unterhaltsam. Auch deswegen, weil alles so hübsch verpackt ist. Das retrofuturistische Kuschel-Ambiente (Ausstattung: Lisa Jacobi), das ein wenig an Stanley Kubricks „2001“-Kulisse erinnert, macht das Treiben auch zu einer optisch attraktiven Angelegenheit. Hier ist es also Journalistin Laika (Stefan Hornbach), die mit der Radiostation „Sputnik II“ vom kaukasischen Berg Elbrus gegen die offizielle Geschichtsschreibung ansendet. Moderatorin Laika ist in ihrer Transvestiten-Anmutung durchaus zu den großen Wahrheiten fähig, die uns heute bewegen: Ausbeutung der Natur, Tierversuche, die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten. Oder in der Sprache von Kollektiv Eins: „die menschenverachtenden Dogmen des an seiner toxischen Männlichkeit krankenden Kapitalismus“. Selbst dann, wenn man das ernsthafte Anliegen ausblendet, bleibt „Laika“ eine schrille und spaßige Produktion. Von den Aufführungen des Berliner Kollektiv Eins, die bislang am Rostocker Volkstheater liefen, war dies bislang die unterhaltsamste. Nächste Vorstellungen am 21., 27. und 28. Dezember, jeweils um 20 Uhr im Ateliertheater des Volkstheaters Rostock.«
Ostseezeitung, Thorsten Czarkowski, Dezember 2017
»Das KollektivEINS führt das Festivalthema mit einer furiosen Übermalung des ‚Wizard of Oz‘ ad absurdum; in seiner ‚Zauberin von Oz‘ assoziiert das Quartett den queeren Filmklassiker mit der Tablettensucht seiner Hauptdarstellerin und legt Dorothy, der Hexe und dem Blechmann eine Suada gängiger Gender-Thesen in den Mund. In atemloser Komik (sehr lustig: Carolin Wiedenbröker) werden sämtliche Geschlechterfragen diskutiert und gleich wieder veralbert – aufdringlich mitgesprochene Gender-Sternchen im Dialog der ‚Schauspieler*innen‘ inklusive.«
Theater der Zeit, Okt. 2017
»Bei Geschlechtern wird uns schlecht“ und „Kein Schwanz ist so hart wie das Leben“ sind so Kalauer des Kollektivs Eins, das seine Jux-Revue mit den Figuren des „Zauberers von Oz“ kennzeichnet. Geschlechtsidentitäten abgeschafft! Anarchistisch wird Individualität gefeiert.«
taz, 09.09.2017